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  • dominicawilming

Die Geburt eines Wikinger-Reenactors

Aktualisiert: 27. März 2019

Auch wenn es nun schon einige Jahre her ist, so seh ich es doch so klar vor mir als wäre es gestern gewesen.

Es ist der 1. Mittelaltermarkt in Greven am „Beach“. Die Sonne brannte vom Himmel auf zahlreiche Zelte verschiedenster Bauweise herunter und eine Menge Menschen in sonderbaren Gewändern tummelten sich dazwischen. Auf Feuern brutzelte und blubberte es in Töpfen und Pfannen und verkündete, dass es bald Zeit fürs Frühstück ist.

Ganz am Anfang des Geländes, kurz hinter einer Senke inmitten des Volleyball-Feldes stakste eine junge Frau mit übergroßen Fell-Pantoffeln unbeholfen durch den Sand. Sie trug ein einfaches Schürzenkleid, dass sie sich zwei Tage vor dem Event aus dem Leinen eines Bettzeugs geschneidert hatte, über Einer rosa Farbenen Tunika. Dekoriert war ihre Schürze mit zwei schweren, grob gegossenen Zinnfiebeln und einer klobigen Perlenkette, die bei jedem Schritt gegen ihren Brustkorb Hämmern. Jeder Knochen tat ihr weh, da sie die Nacht auf einem Holzgestell ohne Polsterung geschlafen hatte. „Kaffee ist fertig!“ schallte es herüber. Der Urheber des Rufs war ein kräftiger Glatzkopf in roter Tunika, der dampfende Flüssigkeit aus einem großen Topf in kleine Tonkrüge schippte. Ein bärtiger Riese im blauen Gewand kam aus dem großen Rundzelt nahe beim Tisch geschlurft und winkte ihr näher zu kommen. Am Tisch sass bereits ihr Nachbar, ein Fellhändler, mit seinem Hund, der dankbar die erste Portion des Heissgetränkes entgegen nahm. „Nett von euch mich einzuladen. Muss ich nicht für mich allein das Feuer entfachen!“

Die Wärme des Krugs in ihrer Hand war eine Wohltat für ihre Knochen. Sie konnte förmlich spüren wie sie ihren Arm hinaufkroch. Gierig nahm sie einen Schluck der sonderbaren Brühe in ihrem Becher. Ein paar Fettaugen Zwinkerten ihr fast verschwörerisch zu, weil jemand vergessen hatte Spülmittel einzupacken und am Abend zuvor in dem selben Topf das Abendessen bereitet wurde.

Das Gesöff schmeckte nach Pfeffer vom Potthast des Vortags und nicht wirklich nach Kaffee doch das Kümmerte niemanden am Tisch. „Guter, echter Markt-Kaffee...“ merkte der Fellhändler an und auch sie nickte emsig „Herrlich!“ und schaute in die entspannten, fröhlichen Gesichter am Tisch. Die Atmosphäre des Events hatte sie schon am Vorabend gepackt. Alle waren so freundlich zueinander, überall wurde man dazu gebeten. Auf einen Drink, eine Kostprobe des Abendmahls oder nur zu einem Plausch. Scheu vor Fremden kannte man hier nicht.

Auch wenn sie nie Interesse an Geschichte gehabt hatte und eigentlich nur zufällig hier gelandet war „um mal zu gucken wie das so ist“ so war da doch mit einem mal ein feuriges Leuchten in ihr. Hier gehörte sie hin!


Wenn ich heutzutage an dieses aller Erste Event zurückdenke muss ich stets schmunzeln. Zum einen über mein furchtbares Outfit, dass mir damals einige spöttische Kommentare eingebracht hat. Die meisten Anfänger ersteigern einfach ein gebrauchtes Gewand eines Aussteigers oder ein industriell gefertigtes Outfit bei einem günstigen Anbieter (was je nach dem WAS man darstellen möchte, nicht immer auch in tatsächlichen Zahlen wirklich wenig Geld ist) oder, wenn sie wenig versiert vorgehen, kombinieren wild und frei Kleidungsstücke, die ihnen „gefallen“ ohne zu merken, dass sie Larp-und Fantasy- Teile mit „ein bisschen Mittelalter“ oder auch mal mehrere verschiedene Epochen miteinander kombinieren. Leider sind im Endergebnis die meisten aus diesen beiden Versuchen sich einzukleiden entstehenden Gewandungen historisch GENAUSO inadäquat wie mein eigenes, selbstgemachtes Flickwerk. Ich habe gelernt, dass es völlig OKAY ist wenn man am Anfang KEIN 100% Outfit hat.

Die, die vor dem ersten Event Ewigkeiten damit verbringen ihr Outfit zusammenzustellen und wer weiß wie viel investieren, bevor sie zum ersten Mal lagern haben dadurch keinerlei Vorteile zu erwarten. Ganz im Gegenteil! Zum einen verpassen sie Rabatte von Händlern für „Mit-Reenacter“ wenn sie als „Tourist in Gewandung“ einkaufen. Die Szene ist klein und sehr familiär und unterscheidet teilweise sehr stark zwischen Besuchern und Lagerleuten. Zum anderen verzichten Sie so auf den „offensichtlichen Anfänger-Status“ und unterliegen direkt den Profi-Standards. Will sagen: Sie wecken Erwartungen und Ansprüche bei den erfahrenen Lagerern, die es Ihnen unnötig schwer machen können. Daher mein Rat an alle, die sich dafür interessieren:


Fangt einfach an!


Traut euch!


Scheut euch nicht davor euch unbedarft und unwissend wie ein Kind in die Szene hineinzuwagen. Es wird viele geben, die euch die Hand reichen und euch auf den ersten wackeligen Schritten unterstützen.

Macht euch keine Sorgen, dass ihr Fehler machen oder stolpern könntet. Ein ehrliches und selbstbewusstes „Ich bin noch frisch dabei und lerne noch, daher ist noch nicht alles perfekt!“ wird jeden wohlgesonnen stimmen den ihr trefft.

Gebt euch selbst die Chance in der Familie der Reenacter zu WACHSEN und neues zu entdecken. Denn darum geht es hauptsächlich dabei: Ums zusammen und voneinander LERNEN!

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